Herzlich willkommen

Bericht über meine Erlebnisse nach dem 19-jährigen Aufenthalt im Bethel, dem Zweigbüro der Zeugen Jehovas in Selters (Deutschlandzentrale). Ich kam in eine neue Versammlung und fragte mich, wie sie mich dort aufnehmen werden. Verstehen sie Spaß? Die Erlebnisse sind so unerwartet absurd, dass man denken könnte, ein Kamerateam von „Verstehen Sie Spaß“ filmt gerade. Nur die erlösende Auflösung ließ auf sich warten.

Erstfassung des Berichts am 23.09.2021

Wie ich aus dem Bethel in die neue Versammlung kam

Es war kaum zu glauben. Man entließ die meisten Bethelmitarbeiter, die über 50 Jahre alt waren, aus dem Zweigbüro der Zeugen Jehovas, das man Bethel nennt. Dort hatte man für Kost und Logis und ein kleines Taschengeld jahrzehntelang gearbeitet. Man entließ sie ohne wirklichen Grund, ohne eine Abfindung und ohne jede weitere Unterstützung. Dabei hatte man zuvor immer gesagt: „Mache den Betheldienst zu deinem Lebensweg“. Man wurde ursprünglich aufgefordert, dauerhaft im Bethel zu bleiben. Im Wachtturm vom 15.03.2001 Seite 24 heißt es zum Beispiel:

Der Betheldienst ist ein auf geistigem Gebiet hochbefriedigender Lebensweg — er könnte wirklich die beste Laufbahn für dich werden!

Wachtturm vom 15.03.2001 Seite 24; veröffentlicht von Jehovas Zeugen

Wenn man für Jehova, den Schöpfer des ganzen Universums, einen besonderen Lebensweg einschlägt, um ihm und dem Glauben seine ganze Lebenszeit zu widmen, dann erwartet man nicht, dass dieser gesegnete Weg eine Sackgasse ist. Aber genau dazu haben sie ihn gemacht. Er endete mit der Rückkehr zu dem, was man vorher gemacht hatte, bevor man diesen „Lebensweg“ eingeschlagen hatte. Nur dass man jetzt wieder neu beginnen konnte und man zusehen musste, wie man sich jetzt, im Alter von über 50, wieder eine Existenz aufbauen konnte.

Zu Beginn des Betheldienstes hatte man ein Gelübde abgelegt, ein sogenanntes „Gehorsams- und Armutsgelübde“. Dieses sollte eigentlich ein ganzes Leben lang halten, so wie der ganze eingeschlagene Lebensweg. Mit der Entlassung habe nicht ich, sondern sie dieses Gelübde gebrochen.

In Vorträgen wurde uns noch wenige Jahre vor der Entlassung erklärt, dass der Betheldienst sicher sei. Wir sollten dafür sehr dankbar sein.

Während der 19 Jahre, in denen ich im Bethel war, überlegte ich immer wieder, ob ich nicht doch hinausgehen sollte, um eine vernünftige gewerbliche Arbeit außerhalb des Bethels anzunehmen. Als promovierter Physiker ergeben sich vielleicht schon gute Möglichkeiten. Denn ich hatte oft das Gefühl, hier nicht wirklich sinnvoll beschäftigt zu sein.

Ein Glaubensbruder, der Architekt ist, hatte dies getan. Das fand ich nicht unbedingt verkehrt. Doch wenn man so handelt, erhält man schnell den Vorwurf, nicht die richtige geistige Gesinnung zu haben. Schließlich sollte man Jehova und seinen Glaubensbrüdern vertrauen. Deshalb blieb ich. Ich wollte wissen, ob sie ihre Versprechen wirklich halten, ob man hier wirklich die Treue findet, wenn man selbst treu ist. Denn Treue bedeutet, dass man an seiner Entscheidung festhält, auch wenn es schwierig wird. Und es war manchmal schwierig. Man verlässt aber als treuer Diener Gottes nicht seinen Weg und bricht nicht seine Gelübde. Somit war es für mich stets klar, dass ich bleibe.

Rauswurf

Und dann ging es schnell. Im Sommer 2015 wurde noch erklärt, dass man viele in den Sonderpionierdienst schicken möchte. In diesem Dienst außerhalb des Bethels würde die Organisation wie bisher für das Auskommen sorgen und man würde an seinem Gelübde festhalten. Es wäre einfach ein Außendienst.
Doch schon im Herbst 2015 wurden sie hinausgeschickt, ohne jede Fortsetzungsmöglichkeit dieses Lebensweges und ohne jede Unterstützung. Dann war ich an der Reihe.

Ich hatte im Oktober 2015 das Gespräch, das sie führen, um jemanden den Laufpass zu geben. Das Gespräch führte ein Glaubensbruder mit mir, der ursprünglich aus dem Schweizer Bethel kam und ab Mai 2014 zum Zweigkomitee in Selters gehörte.
Man hatte ja zu Beginn des Betheldienstes seine Unterschrift gegeben, dass man ohne Angaben von Gründen aus dem Betheldienst entlassen werden konnte und dass man keine weiteren Ansprüche geltend machen würde. Deshalb konnten sie rein rechtlich so handeln.
Doch ich hatte diese Unterschrift als Disclaimer aufgefasst und nicht als Erlaubnis für treuloses Handeln.

Falls aufgrund von Verfolgung oder anderen höheren Umständen der Betheldienst nicht mehr möglich wäre, sollte die Organisation von Verpflichtungen entlastet sein. Man hat ja schon aufgrund der biblischen Prophetie mit schweren Zeiten oder plötzliche Veränderungen gerechnet.

Da man aber einem Gott dient, bei dem es kein Unrecht gibt, der treu und gerade ist, müssten auch alle, die er als seine Diener anerkennt, treu sein. Darum hätte es eigentlich undenkbar sein müssen, dass man ohne Vorliegen höherer Gründe einfach entlassen wird.

Wenn man vorhat, die über 50-Jährigen zu entlassen, dann hätte man es ja schon von Anfang an sagen können und es wäre dann kein Lebensweg und auch ohne Gelübde. Es wäre dann von Anfang an etwas ganz anderes gewesen.

Bei der Entlassung empfahl man mir wie den anderen auch, den allgemeinen Pionierdienst aufzunehmen. Das heißt, dass man sich gleich wieder verpflichten soll, auch noch vermehrt (früher waren es 1000 Stunden im Jahr) in den Predigtdienst zu gehen, obwohl man sich ja eigentlich erst wieder eine neue Existenz aufbauen musste. Wie das gehen soll, sagten sie nicht. Es gab natürlich keine Unterstützung von der Organisation. Aber mit Jehovas Hilfe soll ja alles möglich sein. Also wenn du das nicht tust, bist du auch noch glaubensschwach. Ich wollte Jehova natürlich nicht für ihre Untreue auf die Probe stellen und lehnte das ab. Eigentlich erpressten sie Jehova, indem sie ihn moralisch dazu verpflichteten, das zu tun, wozu sie nicht bereit sind, nämlich für die Seinigen zu sorgen (1. Korinther 6:10).

Ich bekam glücklicherweise einen Job, zog nach Stuttgart, wo meine Mutter wohnte, und ging nun in die dortige Ortsversammlung der Zeugen Jehovas. Natürlich konnte ich rein zeitlich unmöglich den Pionierdienst durchführen, zumal ich lange Fahrwege hatte.

Meine Erlebnisse in der Ortsversammlung

Was ich nach diesem Schock aus dem Bethel entlassen zu werden, in der Ortsversammlung erlebte, bereitete mir gleich den nächsten Schock, noch bevor ich mich überhaupt an die neue Situation gewöhnt hatte.

Man rechnet ja eigentlich damit, lauter liebe Glaubensbrüder anzutreffen. Schließlich ist die Liebe ja das Erkennungsmerkmal wahrer Christen. Und wenn man so lange für sie im Bethel für ein Taschengeld gearbeitet hat, werden sie hoffentlich ein wenig freundlich und respektvoll sein, dachte ich. Jedenfalls wollte ich das Beste hoffen und nicht skeptisch sein. Sie sollten sich im Klaren sein, dass der ehemalige Bethelmitarbeiter rückhaltlos Jehova gedient hat und weiter dienen möchte.

Ich ging also zweimal die Woche in den Königreichssaal der Versammlung. Das war nicht gleich um die Ecke, sondern man musste eine Strecke fahren. Nicht lange vorher hatten sie einen Saal in der Nähe aufgegeben, sodass man zu einem entfernteren Saal fahren musste.

Mitfahrgelegenheit

Ich war es schon gewohnt, lange Strecken zum Saal zurückzulegen. Als ich im Bethel war, musste ich auch eine ¾ Stunden für eine Strecke mit dem Auto fahren. Und da ich kein eigenes Auto hatte, fuhr ich mit den anderen mit. Manchmal fuhr man auch einen kleinen Umweg, um noch jemanden von zu Hause abzuholen.

Nun bot sich wieder die Gelegenheit, mit Glaubensbrüdern mitzufahren. Ein Ehepaar kannten mich schon, da die Ehefrau immer bei meiner Mutter an der Wohnung klingelte, wie es Zeugen Jehovas eben so tun, um mit ihr über Jehova zu sprechen. Das tat sie schon, als ich ungefähr zwölf Jahre alt war und im Hintergrund mithörte. Meine Mutter blieb allerdings weiterhin evangelisch.

Der Ehemann, nennen wir ihn Pallas, sagte mir, wo ich hinkommen soll, damit sie mich dort mitnehmen. Ich ging also an den Ort, ungefähr eine viertel Stunde Fußweg und wartete, bis ihr Auto vorbeikam, um mich mitzunehmen in den Königreichssaal. Beim Rückweg ließen sie mich an einer Stelle raus, von wo ich nur fünf Minuten Fußweg hatte, um nach Hause zu kommen, allerdings steil bergauf.

Ganz am Anfang dachte ich mir noch nichts dabei. Doch als dies Woche für Woche so ging, jeweils zweimal in der Woche, fragte ich mich dann doch, warum ich jedes Mal so weite Wegstrecken zu Fuß gehen muss, um mit dem Auto mitgenommen zu werden. Ich wurde verlegen. Denn Forderungen wollte ich nicht stellen. Sie müssen mich ja nicht mitnehmen. Außerdem kann ich auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinkommen. Und unter diesen Umständen ist dies sogar günstiger, da ich nur fünf Minuten zur Haltestelle habe und die Fahrzeit mit dem Auto auch nicht viel kürzer ist.

Neuernennung zum Dienstamtgehilfen

Nachdem ich einen knappen Monat in der Versammlung gewesen war, wollte ich mal einen neuen Weg direkt von der Arbeit ausprobieren. Dazu musste ich in den Bus umsteigen. Natürlich schaute ich vorher nach, wann der Bus fährt, sodass ich rechtzeitig zur Zusammenkunft kommen kann.

Als ich schließlich rechtzeitig am Busbahnhof ankam, fand ich die Haltestelle nicht. Ich fragte die Passanten und sie schickten mich in die falsche Richtung. Dann fragte ich noch mal und wurde wieder an den Ort zurückgeschickt, wo ich vorher schon gewesen war. Nach langem Suchen fand ich die Haltestelle schließlich. Da fuhr der Bus gerade vor meiner Nase weg. Mit dem nächsten Bus wäre ich zu spät gekommen. Ich fand das merkwürdig und glaubte, dass Jehova mich von dem Besuch der Zusammenkunft abhalten möchte. Deshalb fuhr ich nach Hause.

In der nächsten Zusammenkunft gaben mir einige die Hand und sprachen von Jehovas Segen. Was war geschehen? Sie hatten in der letzten Zusammenkunft bekannt gegeben, dass ich zum Dienstamtgehilfen ernannt worden war. Ich wusste von nichts. Eigentlich war ich doch schon die ganzen letzten 19 Jahre Dienstamtgehilfe in der Versammlung, die ich während meiner Bethelzeit besuchte. Warum eine Neuernennung? Wenn das überhaupt nötig ist, hätten sie mich doch fragen müssen.

Ich habe mir überlegt, ob ich zu den Ältesten gehen soll, um ihnen zu erklären, dass ich das gar nicht mehr sein möchte. Doch weil sie mich nicht gefragt hatten und ich bei der Bekanntgabe abwesend war, kann diese Ernennung sowieso nicht rechtsgültig sein, dachte ich. Ich muss mich zu nichts verpflichtet fühlen.

Natürlich war ich auch überzeugt, dass Jehova nicht wollte, dass ich rechtsgültig ernannt werde.
So habe ich mich entschieden, nichts zu sagen, Aufgaben abzulehnen, wenn diese gegen mein Gewissen sind und die Besprechungen und Schulungen für Dienstamtgehilfen mitzumachen, da ich dadurch vielleicht Informationen erhalte, die mir für meine Studien nützlich sind.

Der Konflikt mit Pallas

Ich fuhr danach mit öffentlichen Verkehrsmitteln, manchmal direkt von der Arbeit zur Zusammenkunft hin, um nicht den langen Fußmarsch zu haben. Zurück fuhr ich weiterhin mit Pallas und seiner Frau, da der Fußweg hier, wie zuvor erwähnt, „nur“ fünf Minuten lang war. Doch im Laufe der Zeit ging es mir immer schlechter. Kann das sein, dass man hier von Güte und Liebe nichts hält? Vorher im Bethel war es selbstverständlich, so viel Güte aufzubringen, dass man einen Mitfahrer zumindest nahe bei seiner Wohnung abholt und hinbringt.

Güte kann man nicht verlangen. Es muss freiwillig praktiziert werden. Entweder man geht bereitwillig liebevoll miteinander um, oder man lässt es bleiben. Also sagte ich nichts. Aber es wurde mir sehr kalt. Dazu kam, dass sie mich manchmal regelrecht nötigten, mit ihnen mitzufahren, aber natürlich unter ihren Bedingungen. Wenn es dann regnete, machten sie manchmal eine kleine Ausnahme und sie fuhren mich tatsächlich zur Wohnung hoch. Ein anderer Mitfahrer hatte dann oft trotzdem noch ein Stück zu Fuß zu gehen. Wenn sie das taten, brachten sie zum Ausdruck, jetzt außergewöhnlich gütig gewesen zu sein, was mich natürlich zum Dank verpflichtete.

Wenn sie mich zu Fuß gehen ließen, sagte Pallas immer, Sport würde mir bestimmt guttun. Ich fragte mich, warum sie dann nicht gleich hier parken und selbst zu Fuß nach Hause laufen. Ihnen würde doch Sport bestimmt auch guttun (siehe „Goldene Regel“ aus Matthäus 7:12). Es war jedenfalls entsetzlich und ich wollte nicht mehr mitfahren.

Ich kann Heuchelei nicht ertragen!

Nicht nur ihr Verhalten, sondern auch das, was ich sonst in der Versammlung erlebt hatte, empfand ich außerordentlich lieblos und heuchlerisch.
Nach einer Zusammenkunft, kurz bevor sie mich wieder mitnahmen, sagte ich einmal tief aus dem Herzen: „Ich kann Heuchelei nicht ertragen!“. Ich hatte niemanden persönlich angreifen wollen. Alles, was ich erlebte, empfand ich einfach zutiefst als heuchlerisch, natürlich auch das, was ich mit diesem Ehepaar erlebte.

Später im Auto, kurz bevor sie mich an der üblichen Stelle wieder rausließen, wiederholte ich mein Wort. Ich versuchte ihnen auch zu erklären, dass man als Zeuge Jehovas nicht dazu berufen wurde, blind einer Geistlichenklasse oder einer leitenden Körperschaft hinterherzulaufen. Ich wollte ein klares Wort reden, meine Verlegenheit aufgrund ihres Verhaltens abschütteln und sie auch warnen, wie es ja gemäß Hesekiel 3:18-21 nötig ist um keine Schuld zu haben. Denn ich war überzeugt, dass Jehova sie ganz sicher nicht in die verheißene neue Welt bringen wird, wenn sie nicht bereuen. Außerdem wollte ich mit dieser Rede einen Schlussstrich ziehen und künftig nicht mehr mit ihnen mitfahren.

Später am Ende einer Versammlungszusammenkunft, als die Ältesten auf dem Weg zu einer Ältestenbesprechung waren, fragte mich Pallas, ob mein Wort „Ich kann Heuchelei nicht ertragen“ immer noch gilt oder ob ich es zurücknehmen wollte. Ich sagte: „Ja, gilt immer noch“. Natürlich konnte ich dieses Wort nicht zurücknehmen. Es war ja die Wahrheit über mich und kein persönlicher Angriff.
Pallas, der selbst Ältester ist, ging dann zu der Ältestenbesprechung.
Aber ich merkte schon, dass er mich jetzt wohl in der Ältestenschaft denunzieren möchte.

Der Überfall

Am Ende einer späteren Zusammenkunft kam plötzlich ein Älteste, nennen wir ihn Schmar (der auch Aufseher der Predigtdienstgruppe war) auf mich zu und sagte aufgeregt: Wir müssen mit dir sprechen, wir müssen mit dir sprechen. Das wiederholte er ständig in geladener Stimmung. Ich war müde und verdutzt. Warum fährt er mich so an? Was habe ich ihm getan? Jetzt, wo ich total müde vom Tag nur noch nach Hause wollte, muss ich mich so behandeln lassen? Ich kam in die Zusammenkunft und saß friedlich da, weit entfernt, mich mit jemandem zu streiten und dann erlebte ich plötzlich dieses.

In meinem Inneren fing es schon zu kochen an und ich musste mit letzter Kraft um Selbstbeherrschung ringen. Ich sagte ihm, dass er ja mit mir reden kann, denn ich kann Deutsch und sogar Schwäbisch. Er provozierte mich mit unverschämten Worten. Als ich ihm sagte, dass ich ohne mein Verschulden, ohne mir irgendwelche Vorwürfe etwa über schlechte Arbeit machen zu können, einfach aus dem Bethel geworfen wurde, in dem ich 19 Jahre für ein Taschengeld gearbeitet hatte, meinte er, das sei richtig so. Sie hätten die richtige Entscheidung getroffen und ich müsste da eben durch. Dann meinte er noch, dass ich geistig schwach sei. Ich war natürlich total aufgebracht und lief dann empört weg, lehnte eine Fortsetzung des Streitgesprächs ab. „Ich will mich nicht streiten“, sagte ich laut und aufgebracht.

Losgerissen

In einer weiteren Zusammenkunft brachte Schmar noch ein anderer Ältester mit und sie zerrten mich in den kleinen Besprechungsraum und wollten mit mir reden. Als sie zuerst ein Gebet sprechen wollten, stand ich auf und ging weg. Ich sagte: „Ich möchte mich nicht streiten“. Was für eine Gotteslästerung, Jehova in ihr niederträchtiges Verhalten einbeziehen zu wollen, dachte ich.
Dann ist erst mal lange Zeit nichts geschehen.

Ich fuhr nur noch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Auch als andere mir angeboten hatten, mich mitzunehmen, lehnte ich ab. Ich durfte ja nicht parteiisch sein, also mit dem einen mitfahren und mit dem anderen nicht. Das hätte man mir auch nur negativ ausgelegt.

Besuchswoche des Kreisaufsehers

Nicht lange nach diesen Vorfällen kam die Besuchswoche des Kreisaufsehers (Ein Kreisaufseher ist ein Ältester, der die Versammlungen in einem Kreis zweimal im Jahr besucht). Ich fragte mich schon, ob sie in ihr niederträchtiges Verhalten nun noch den Kreisaufseher hineinziehen möchten.

Es passierte nichts Besonderes. Kein spezielles Gespräch mit dem Kreisaufseher. Als ich am Samstag auf den Predigtdiensttreffpunkt ging, wurde ich anschließend in die Gruppe eingeteilt, in der auch der Kreisaufseher mitging. Und er wollte mit mir von Haus zu Haus gehen. Das taten wir dann.

Der Kreisaufseher tröstet eine ältere Frau

Im Predigtdienst trafen wir eine ältere Frau an, die anfing, von ihrem ganzen Leid zu erzählen. Nach ihren Worten zu urteilen, hätte sie im Leben lauter Ungerechtigkeit erfahren. Ihre Familienangehörigen, das Finanzamt usw. hätten sie sehr ungerecht behandelt. Der Kreisaufseher hörte geduldig zu und gab ihr Recht. Sie betonte, dass sie sehr recht hat.
Dann nahm er die Bibel in die Hand und versuchte, sie mit einem Bibeltext zu trösten. Es war Jesaja 11:2-5 auszugsweise:

Lies Jesaja 11:2-5 in der NWÜ 1986

Mit Vers 2 zeigte er, dass Christus gemeint ist, und mit Vers 4 und 5 erklärte er ihr, dass Christus für Gerechtigkeit auf der Erde sorgen wird und die Bösen (über die die Frau schimpfte) dabei nicht gut wegkommen. Dann verabschiedeten wir uns. Er sagte danach zu mir, dass er noch mal zu der Frau hingehen wolle, wenn er mal in der Nähe ist.

Nur ein paar Fragen

Auf dem Weg zwischen den Häusern stellte er mir ein paar Fragen nach dem Namen einiger Glaubensbrüder aus dem Bethel. Dann erzählte er mir kurz seine Geschichte. Er war Bezirksaufseher und bekam einen Brief von der Gesellschaft, dass er nun kein Bezirksaufseher sei, denn man schaffte sie gerade ab. Er wusste einige Zeit nicht, wie es weitergehen soll, wurde dann aber zum Kreisaufseher ernannt.

Danach trafen wir uns wieder in der Gruppe. Weiter passierte in der Besuchswoche nichts. Ich fragte mich, ob die Ältesten nicht vielleicht doch mit dem Kreisaufseher über mich besprochen hatten, sodass er mich vielleicht ein bisschen besser kennenlernen wollte und deshalb mit mir im Predigtdienst unterwegs war. Eine Antwort auf die Frage bekam ich nicht. Was alles hinter meinem Rücken geredet wurde, konnte ich nicht herausfinden.

Das war am Samstag, den 14.05.2016. Am 01.01.2016 kam ich vom Bethel in die neue Versammlung. Die zuvor angeführten Vorfälle mit Schmar waren im April 2016. Sie fanden also nur etwa drei Monate nach dem Wechsel aus dem 19-jährigen Betheldienst statt.

Ein halbes Jahr später

Dann ist ungefähr ein halbes Jahr vergangen, ohne dass irgendetwas geschah. Nur Pallas wollte immer wieder mal mit mir reden. Ich wollte nicht, da ich ja merkte, dass es bei ihm kein Gesinnungswandel gab. Doch dann bin ich doch einmal in eine Ecke im Saal gegangen, wo wir uns ungestört unterhalten hätten können. Ich fragte ihn, warum er mich denunziert hatte. Er meinte, dass er mit mir nicht sprechen konnte. Dann wiederholte er nur, dass ich den Satz: „Ich kann Heuchelei nicht ertragen“ nicht mehr sagen darf und deutete an, dass es sonst wieder Ärger gäbe. Ein solches Gespräch hätte ich mir ersparen können.

Einladung

Vor der nächsten Besuchswoche des Kreisaufsehers kam Schmar auf mich zu und erklärte, dass er und der Kreisaufseher ein Gespräch oder Hirtenbesuch mit mir geplant haben und ob ich das annehmen und kommen möchte. Ich fragte, worum es geht, bekam aber keine klare Antwort. Nur dass der Kreisaufseher und er mit mir zusammenkommen möchten.

Ich fragte mich, ob es immer noch um das gleiche Theater geht? Das war nicht ganz logisch, denn man hätte schon beim letzten Besuch des Kreisaufsehers Gelegenheit dazu gehabt. Es könnte auch ein normaler Hirtenbesuch sein.
Eigentlich würde ich es erwarten, dass man ehemalige Bethelmitarbeiter nach einem Jahr besucht, um zu erfahren, wie es ihnen geht.

Ich war gerade ein Jahr aus dem Bethel und es wäre passend gewesen, wenn es vom Zweigkomitee veranlasst worden wäre, nach einem Jahr ein Gespräch mit dem Ehemaligen zu führen, zu erfahren, wie es ihm geht und ihn zu ermuntern. Das wäre das Mindestmaß, das man auch erwarten konnte. Wo haben sie denn ihr Gewissen? Sie entlassen mich nach 19 Jahren in die Wildnis und dann sagen sie den Brüdern, dass es den Ehemaligen gut geht. Niemand redet aber mit dem Ehemaligen, um sich zu erkundigen. Wenn man dann wenigstens den Kreisaufseher beauftragen würde, ein Gespräch zu führen, wäre das wohl das Allermindeste. Sie haben von mir die 19 Jahre ständig Gehorsam gefordert. Man konnte kaum etwas selbstständig tun. Und dann wollen sie sich völlig ausklinken, nachdem sie ihn auf die Straße gesetzt haben?

Ich habe dann zugestimmt und war gespannt, worüber sie mit mir reden wollen. Ich wollte alles sorgfältig in meinem Tagebuch festhalten.

Das Gespräch mit dem Kreisaufseher und Schmar

Das Gespräch, das dann kam, war wie ein Rätsel mit einem künstlich herbeigeführten Framing und einer aus der Luft gegriffenen, völlig unklaren Anschuldigung. Es war einfach niederschmetternd und ich fühlte mich danach krank. Die meiste Zeit redete der Kreisaufseher und es dauerte ungefähr 50 Minuten. Meine Notizen zu ordnen und einen vernünftigen roten Faden zu finden, fiel mir danach ziemlich schwer. Ich habe mich aber sehr bemüht, weil es mir wichtig ist, dass man die finsteren Machenschaften dieser Leute erkennt. Nun möchte ich davon erzählen:

Das einleitende Gebet

Nachdem man zu Beginn ein paar Belanglosigkeiten geredet hatte, ob ich gut hergekommen sei, sprach der Kreisaufseher erst mal ein Gebet. Er sagte unter anderem zu Jehova etwa Folgendes: „Wir danken dir, dass wir dir dienen dürfen …“ und dann auch: „Wir wollen uns um alles kümmern, auch was Bernd am Herzen liegt …“

Natürlich sagte ich nicht Amen. Doch das fällt ja nicht auf. Sie wollen also wissen, was mir am Herzen liegt. Eigentlich ist es ja umgekehrt. Sie hatten mich zu dem Gespräch geladen, weil sie offensichtlich etwas auf dem Herzen haben. Und ich bin gekommen, weil ich wissen wollte, was es ist. Somit hat er die Tatsachen schon im Gebet verdreht und Jehova direkt belogen.

Die Taktik

Eigentlich hätte ich gleich zu Beginn und vor dem Gebet gerne erfahren, was denn überhaupt der Anlass für das Gespräch war. Aber sie sagten es auch nach dem Gebet erstmal nicht. Stattdessen fädelte der Kreisaufseher ein aus der Luft gegriffenes „Framing“ ein.

Er fragte zuerst, wie es mir geht. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Dann erzählte er wieder seine Geschichte, dass ihm in einem Brief mitgeteilt wurde, aus dem Dienst als Bezirksaufseher entlassen zu sein. Das verglich er dann mit meiner Entlassung aus dem Bethel und fragte wieder, wie es mir geht. Nachdem ich wieder nichts gesagt hatte, fuhr er fort:

„Einige der Ältesten sagen, mir geht es nicht so gut. Der Grund, warum wir zusammenkommen wollen, ist 1. Korinther 12:26: Und wenn ein Glied leidet, leiden alle anderen Glieder mit.

Ich hatte noch gar nichts gesagt. Er fing von sich aus an, mir Dinge zu unterstellen.

Er drehte es also so hin, als ob sie mir helfen wollten, weil es mir angeblich, nach Meinung der Ältesten, nicht so gut gehen würde. Und so stellte er das ganze Gespräch unter dieses Motto, ohne dass von mir irgendetwas kam. Ich fragte mich weiter, ob es am Ende wieder um das Theater geht, das die Ältesten vor einem halben Jahr veranstaltet hatten. Das wusste ich immer noch nicht.

Natürlich könnte man vermuten, dass es jemandem, der nach 19 Jahren Betheldienst entlassen wurde, vielleicht nicht so gut geht. Mir blieb also erstmal nichts anderes übrig, als zu vermuten, dass der Kreisaufseher das vermutete, weil seine folgenden Worte nur dann einen Sinn ergeben würden. So erzählte der Kreisaufseher seine Erlebnisse und Geschichten, um mir klarzumachen, dass es anderen auch so geht wie mir und man das einfach hinnehmen muss.

Wie war das mit der Ernennung zum Dienstamtgehilfen?

Der Kreisaufseher erklärte dann, wie er mich zum Dienstamtgehilfen ernannt hatte. Nachdem er erfahren hatte, dass ein Bruder vom Bethel ins Gebiet kommt, nahm er die Ernennung vom Schreibtisch aus vor:
Er sagte: „Das habe ich vom Schreibtisch aus gemacht und die Ältesten haben sich sehr gefreut.“
Doch dann hätten die Ältesten gespürt, dass es mir nicht so gut gehen würde, und sich angeblich gefragt, wie man helfen könne.

Ich saß da und fragte mich: Von was redet er? Bis jetzt hatte ich noch gar nichts gesagt. Den Ältesten hatte ich auch nichts gesagt und dass sie mir helfen wollen, habe ich nicht gemerkt. Im Gegenteil.

Aber jetzt weiß ich wenigstens, wie es zu der Ernennung kam. Er hat also eine formale Ernennung vorgenommen und dies nur den Ältesten mitgeteilt. Und so kam die Situation zustande, dass sie in einer Zusammenkunft plötzlich die Ernennung bekanntgaben. Die Ältesten haben sich natürlich gefreut, einen Untertan aus dem Bethel zu bekommen. Denn ein Dienstamtgehilfe untersteht ja der Ältestenschaft. Das war positiv für ihre Machtinteressen. Doch ich funktionierte nicht so wie gewünscht. Ich verneigte mich nicht vor ihnen. Das war sehr ärgerlich für sie und sie klagten mich deshalb an.

Es wird ein bisschen konkreter.

Jetzt fing er an, einen Dialog einzufädeln. Er fragte hartnäckig und stellte die Situation so dar, dass alle ein bisschen leiden, weil es mir nicht so gut gehen würde, und ich solle doch sagen, was man tun kann. Jetzt musste ich ihm etwas sagen. Ich erklärte ihm, dass ich absolute Respektlosigkeit erlebe. Das reichte ihm nicht als Antwort, und so schilderte ich meine Situation. Ich hatte absolut keine Lust zu antworten.

Ich erwähnte dann auch, dass Schmar gesagt hatte, ich sei geistig schwach, und erzählte kurz den Vorfall, als Schmar mich am Ende einer Zusammenkunft regelrecht überfallen hatte.

Dann bekam Schmar das Wort und tat zunächst ein wenig reumütig, meinte dann aber, dass man auch berücksichtigen müsste, was vorher gesagt worden war. Bei mir tauchte jetzt ein großes Fragezeichen auf. Was meinte er? Vorher war doch nichts, jedenfalls nichts mit Schmar. Der Kreisaufseher unterbrach und lenkte ab, indem er eine weitere Geschichte erzählte:

Eine weitere Geschichte, die ich schon kannte.

Dann erzählte er die Geschichte eines Schweizer Glaubensbruders, der im Schweizer Zweigbüro zum Führungsgremium gehörte und später im Bethel „Zentraleuropa“ in Selters ein Mitglied des Zweigkomitees wurde. Das Schweizer Bethel wurde durch einen Beschluss der leitenden Körperschaft plötzlich geschlossen. Diese Geschichte kannte ich bereits. Es war nämlich derselbe Bruder, der mit mir das Rauswurfgespräch im Bethel geführt hatte. Und dieser erzählte mir schon bei diesem Gespräch, wie es für ihn und seine Frau war, als er dort aufhören musste und eigentlich nicht nach Selters wollte.

Der Kreisaufseher ergänzte mit ein paar weiteren Details. Er erzählte das etwa folgendermaßen:

Er war ja in der Schweiz im Bethel. Und da kam nur ein Brief. Er soll gesagt haben: „Ein Fünfzeiler.“ Darin soll einfach gestanden haben, dass das Bethel aufgelöst wird und sie sich bedanken.

Weiter stand knapp in dem Brief, dass, wer sich dafür entscheidet, in das Bethel nach Selters kommen kann. Wenn das für ihn nicht infrage kommt, gäbe es die Möglichkeit, eine andere Form des „Sonderdienstes“ aufzunehmen. Sie hätten zwei Wochen Bedenkzeit.

Bevor dieser Brief kam, wussten sie nichts davon. Und eine Begründung gab es auch nicht.

Aber wie reagierten der Schweizer Bruder („ein reifer Mann“) und seine Frau darauf? Der Kreisaufseher erklärte etwa: Sie waren orientierungslos. Sie wollten nicht nach Selters und aufhören wollten sie auch nicht. Als Glaubensbrüder sie gefragt hätten, ob sie den Segen Jehovas spürten, sollen sie gesagten haben: „Wir spüren überhaupt keinen Segen“.

Doch was haben sie dann getan? Natürlich gingen sie nach Selters und er wurde dort, wie schon erwähnt, zum Zweigkomiteemitglied ernannt. Aber in dem Rauswurfgespräch erzählte er mir, dass sie lange gebraucht hätten, um sich mit der neuen Situation abzufinden.

Der Kreisaufseher meinte dazu noch, dass es eben tiefgreifende Entscheidungen waren, die getroffen wurden. Gehorsam alles mitzumachen, was entschieden wird, scheint geradezu selbstverständlich zu sein, obwohl sie „überhaupt keinen Segen“ von Jehova spürten.

Der eigentliche Anlass für das Gespräch

Jetzt kehrte er wieder zum Thema zurück. Nachdem er erklärt hatte, dass er nicht glaubt, dass Schmar es böse gemeint haben könnte, fragte er ihn, was der Hintergrund war, also warum er gesagt hat, ich sei geistig schwach. Dann wollte Schmar von mir wissen, was ihn zu der Aussage geführt hat. Er konnte es offensichtlich nicht sagen und jetzt soll ich es ihm sagen. Ich hatte auch keine Ahnung, was er meinte. Er tat aber so, als ob ich etwas ganz Übles gesagt hätte, und ich sollte das doch jetzt zugeben.

Ich blockte ab und erklärte, dass ich mich nicht dazu äußern möchte, da ich nicht weiß, was er meint. Aber Schmar bestand darauf, dass man darüber reden müsse. Er sprach von „dieser Aussage“, die ich gemacht hätte. Aber was es war, sagte er nicht. Ich verstand überhaupt nichts mehr.

Also ich habe vor einem halben Jahr irgendeine böse Aussage gemacht und damit alle beunruhigt. Er kann mir aber nicht sagen, worin die Aussage bestand, und ich wusste auch nicht, was er meinte. Das ist ja absurd. Und jetzt sollen wir uns darüber unterhalten, damit die Sache aus der Welt geräumt wird. Über was nur? Meinte er das, was ich nicht ihm, sondern Pallas gesagt hatte, dass ich Heuchelei nicht ertragen kann? Oder meinte er etwas, was man hinter meinem Rücken über mich gesagt hat, was ich nicht mitbekam? Ich war mit den Nerven am Ende. Ich gab zu bedenken: „Es sollte alles in Liebe geschehen. Liebe ist das Erkennungsmerkmal wahrer Christen“.

Doch Schmar wollte immer noch wissen, was mich zu „dieser Aussage“ (welcher?) geführt hat. Ich konnte nur noch abblocken. Dann gab Schmar das Stichwort: Es geht um unser Verhältnis zum treuen und verständigen Sklaven, meinte er.

Jetzt sagte der Kreisaufseher, sie (Schmar und er) hätten im Vorfeld darüber geredet, dass ich angeblich etwas gegen den „treuen und verständigen Sklaven“ gesagt hätte. Und deshalb wollten sie dieses ganze Gespräch mit mir führen.

So wusste ich es jetzt endlich. Der ganze Anlass für das Gespräch war immer noch das alte Theater!
Aber ich wusste trotzdem nicht, was sie damit meinten. Das sagte ich ihm dann auch. Trotzdem tat er so, als hätte ich da was Schlechtes gesagt haben sollen und man müsste sich über mich Sorgen machen.
Dann beendete er das Thema und führte weitere Geschichten an:

Ungerechtigkeit ohne Ende – na und?

Der Kreisaufseher erzählte von weiteren Beispielen, wie Glaubensbrüder eine sichere Arbeitsstelle aufgegeben hatten, um eine besondere Dienstzuteilung anzunehmen, und dann hat sich die leitende Körperschaft anders entschieden und sie erhielten eine Absage.

Am Ende des Gesprächs wurde er immer unverschämter. Er unterstellte mir, aus egoistischen Gründen im Bethel gedient zu haben, da man ja Vorteile genossen hätte. Die wichtige Arbeit würde man in den Versammlungen tun.

Ich frage mich heute: Sind die Glieder der leitenden Körperschaft, die man als Gruppe mit dem treuen und verständigen Sklaven gleichsetzt, nicht auch im Bethel? Wollte er sagen, dass sie keine wichtige Arbeit machen? Dann redet er doch selbst gegen den treuen und verständigen Sklaven, was sie mir vorwerfen.

Über die Ältesten, die mich anklagen, meinte er, dass man ihnen vertrauen kann. In einer anderen Versammlung gäbe es noch andere Probleme. Also mit anderen Worten: Ich muss zufrieden sein mit diesen Ältesten, denn in manchen anderen Versammlungen ist es noch viel schlimmer.

Herzlich willkommen

Endlich war er fertig und er betete noch mal zum Schluss etwa: „Jehova, … wir danken dir …, dass Bernd aus seinem Herzen berichten konnte, wie er sich fühlt … Segen … Wir möchten wirklich alles tun, was dich ehrt und was deinem Herzen Freude bereitet.“

Dann sagte er nur noch: „Bernd, danke schön und herzlich willkommen.“

Ja, ich habe die 50 Minuten unverschämter Worte durchgehalten, ohne auszurasten, und bin jetzt herzlich willkommen. Danach war dann noch die Besprechung mit den Ältesten und Dienstamtgehilfen, zu der ich auch herzlich willkommen war.

Das Gespräch fand am Freitag, dem 28.10.2016, statt. Das Rauswurfgespräch aus dem Bethel war am Dienstag, dem 20.10.2015, also ein Jahr vor diesem Gespräch. Ab dem 01.01.2016 war ich nicht mehr im Bethel und kam in die neue Versammlung. Und im April 2016 war das Streitgespräch mit Schmar.

Was konnte ich diesem Gespräch entnehmen?

Es war wirklich ein krank machendes Gespräch. Besonders schlimm war eine als Sorge verpackte Klage gegen mich, ohne etwas Konkretes nennen zu können. Danach zerbrach ich mir noch den Kopf, was sie wohl meinten. Wenn sie so ein Theater machen, dann muss ich doch irgendetwas verbrochen haben, oder?

Ich fing schon an, Selbstzweifel zu bekommen. Sie griffen mein Gewissen an! Erst später wurde ich mir wieder ganz sicher, wirklich nichts Verkehrtes gesagt oder getan zu haben. Verkehrt waren wirklich nur sie. Wie scheinheilig der Kreisaufseher sich und die Ältesten als gutmütige Menschen hingestellt haben, die nur helfen wollen!

Interessant war aber das, was er über den Schweizer Bruder verriet, den ich ja schon gut kannte, da er mit mir das Rauswurfgespräch in Selters geführt hatte:

Er ist im Schweizer Zweigbüro im Führungsgremium und sollte eigentlich in der Lage sein, alle Mitarbeiter, die dort beschäftigt sind, zu vertreten. Als Gott hingegebener Glaubensbruder (reifer Bruder), der sein Leben ganz diesem Dienst ohne besondere Bezahlung gewidmet hat, sollte er eigentlich seine Arbeit und den Nutzen des Zweigbüros verteidigen können. Er sollte sich eigentlich gegen einen Fünfzeiler wehren können.
Stattdessen ist es gerade so, als ob er durch einen schwachen Windhauch in Form eines knappen Schreibens weggeweht wird. Er und seine Frau haben nur gelitten und sich „innerlich geweigert“, mussten sich aber ihrem Schicksal hilflos beugen.

Ist es, weil die leitende Körperschaft unendlich viel Autorität von Gott erhalten hat, oder weil Jehova nie einen Einwand duldet?
Dass dies nicht der Fall ist, zeigt das Beispiel der Rechabiter (Jeremia Kapitel 35)

Das Beispiel der Rechabiter zeigt, wie absurd sich der „reife“ Schweizer Bruder verhalten hat.

Jehova beauftragte tatsächlich seinen Propheten Jeremia, den Rechabitern Wein zu trinken zu geben. Das war ungeheuerlich für sie. Sie standen nämlich unter einem Gelübde, niemals Wein zu trinken. Wie würden sie reagieren? Würden sie dem Propheten gehorchen? Nein! Sie weigerten sich und erklärten, warum.

Würde der Prophet ihnen das übel nehmen, ihm nicht gehorcht zu haben? Wird Jehova ihnen das übel nehmen, weil sie den von ihm beauftragten Propheten widersprochen haben? Nein! Ganz im Gegenteil. Der Prophet Jeremia selbst ging hin und lobte sie für ihre Weigerung und erklärte, dass sie von Gott dafür gesegnet würden.

Was hätte denn der reife Schweizer Glaubensbruder tun sollen, als er diesen Fünfzeiler bekam? Hätte er diese Treulosigkeit nicht zurückweisen müssen? Er war einer der Verantwortungsträger für das Zweigbüro der Zeugen Jehovas in der Schweiz. Hätte er sich nicht genauso weigern sollen wie die Rechabiter und ihnen eine begründete Abfuhr erteilen müssen? Denn Zeugen Jehovas haben auch ein Gelübde. Sie haben sich Jehova, nicht einer Organisation oder einem Werk hingegeben.

Man hat versprochen, sich an christliche Grundsätze zu halten. Dazu gehört auch die Treue, dass man treu und gerecht miteinander umgeht. Außerdem gibt es auch Vorväter, die die Betheleinrichtung in der Schweiz gegründet haben. Der unbegründete Fünfzeiler steht in krassem Widerspruch zu gerechten Grundsätzen.

Wenn ein Verantwortungsträger so wenig Rückgrat hat, muss ich ihm dann untertan sein?

Fazit

Wir können 5 Punkte ausmachen, in denen sie allesamt, ob Älteste, Kreisaufseher oder Zweigkomiteemitglied völlig verurteilt dastehen:

Verurteilt in 5 Punkte

1. Ihr Intrigenspiel

Sie verhehlen, was sie sind. Gemäß Psalm 26:4 sollte man bei solchen Leuten nicht eintreten.
Sie haben vorher nicht gesagt, was der Grund oder Anlass für die Einladung zum Gespräch mit dem Kreisaufseher ist. Erst in der Mitte des Gesprächs sagte der Kreisaufseher etwas dazu. In dem Gespräch tut der Kreisaufseher so, als ob man mir helfen wollte. Man klagt mich aber an. Das ganze Intrigenspiel kam in Gang, als ich zu Pallas gesagt hatte: „Ich kann Heuchelei nicht ertragen“. Er denunzierte mich und ein halbes Jahr lang war Theater. Selbst die Ernennung zum Dienstamtgehilfen lief hinter meinem Rücken ab.

2. Ihre Heuchelei

Die Frau im Predigtdienst durfte darauf hoffen, dass der regierende Jesus Christus ihr Recht verschafft. Mir hat der Kreisaufseher das genaue Gegenteil zu verstehen gegeben. Man muss jede Ungerechtigkeit hinnehmen, sollte sich nicht beklagen, da es sowieso zwecklos ist. Wenn man Jehova jahrzehntelang gedient hat, darf man nicht auf gerechte Behandlung hoffen. Beklagt man sich, gilt man als jemand, der gegen den treuen und verständigen Sklaven redet, und das ist völlig inakzeptabel. Man ist dann höchstens krank und braucht die Hilfe des Kreisaufsehers. Der Frau im Predigtdienst gab er sofort recht, als sie sich bitter beklagte, obwohl sie weder Glauben an die Bibel noch an Jehova ausübte, noch klar war, ob ihre Klagen wirklich berechtigt sind.

3. Ihr Autoritätsgehabe

Sie stellen sich ständig als die großen Lehrer und Gebieter dar, die sehr viel Autorität haben, und das Recht haben, andere zu belehren und zu beurteilen. Sie sprechen Gebete und stellen sich so als die rechte Hand Jehovas dar. In Wirklichkeit zeigt sich, dass sie überhaupt keine Autorität haben, denn sonst könnten sie nicht durch einen kurzen Brief verscheucht werden. Es kam ans Tageslicht, dass sie überhaupt kein Rückgrat haben. Wieso sollte man die Scheinautorität dieser Leute anerkennen? Im Beitrag „Gibt es Karneval bei Jehovas Zeugen?“ ist von einem Aufseher die Rede, der von heute auf morgen etwas anderes lehrt. Und im Beitrag „Gehorsam und explodierende Gasflaschen“ wird gezeigt, wie unberechtigt und sogar lebensgefährlich ihr Gehorsamsanspruch ist.

4. Die Ernennung ohne Jehova zu fragen

Der Kreisaufseher hat mich ernannt, ohne Jehova zu fragen. Ich wandle mit Gott und wurde überzeugt, dass Jehova gegen die Ernennung ist. Davon wollten sie nichts wissen. Man muss sich im Klaren sein: Wer einen Bruder nicht fragt, der zu Jehova betet, kann Gott nicht gefragt haben.

5. Der Menschenhandel zeigt, dass sie völlig gottlos sind.

Glauben sie überhaupt an Gott? Wie könnten sie so ein unehrliches Spiel treiben und dann die Gebete sprechen, wenn sie wirklich an Gott glauben würden. Was würdest du zu einem großen König sagen, wenn du bei ihm eingeladen wärst. Würdest du das sagen, was der Kreisaufseher zu Jehova gesagt hat?

Es hat sich gezeigt, dass die Ältesten ganz und gar auf Herrschaft und Unterwerfung aus sind.

Sie sind wie Spieler, die ihre Möglichkeiten nutzen, durch ihre Verschwörung in der Ältestenschaft und mit dem Kreisaufseher und durch ihren vorgeführten geheuchelten Glauben alle, auch ehemalige Bethelmitarbeiter, zu unterwerfen. Dazu dient ihnen der Menschenhandel: Bethelmitarbeiter werden entlassen, damit sie nicht als von Jehova Gesegnete betrachtet werden und die Versammlungsältesten dann voll über sie herrschen könnten. Dieser Handel wurde von ihren Dienern wie der Kreisaufseher, Zweigkomiteemitglieder und der leitenden Körperschaft eingefädelt. Alle in der ganzen Versammlung, alle, die an Jehova glauben, sollen ihre Untertanen werden.

Was zu tun ist – echte Treue

Was echte Treue ist, haben uns die Rechabiter vorgelebt. Sie hatten die Änderungen nicht angenommen, obwohl sie von Jeremia, dem Propheten, angewiesen wurden. Und bestimmt sollten wir an dem festhalten, was wir den Leuten im Predigtdienst gesagt haben und was auch der Kreisaufseher zu der Frau gesagt hat. Es ist ein öffentlicher Dienst und was wir hier sagen, müssen wir selbst ernst nehmen. Sonst haben wir die Leute nur belästigt oder sogar betrogen.

Der Glaube beruht ja gerade auf dem Vertrauen und die Hoffnung, von dem unsichtbaren gerechten Gott belohnt zu werden, völlig unabhängig, wie Menschen über uns denken. Wenn man die Gunst aller Menschen einschließlich aller Zeugen Jehovas und ihrer leitenden Körperschaft hätte, aber nicht die Gunst Jehovas, nützt es uns nichts. Wenn alle gegen uns sein sollten, einschließlich der Leute, die sich als Vertreter Gottes darstellen, aber die Gunst Jehovas und des Christus haben, sind wir gerettet. Das ist der Glaube, den wir im Predigtdienst öffentlich zum Ausdruck bringen wollen.

Was sie mir unterstellen, ist vollkommen absurd.

Sie unterstellten mir, etwas gegen den treuen und verständigen Sklaven gesagt zu haben.

In der Zeit, als ich mich 1994 taufen ließ, definierte man den „treuen und verständigen Sklaven“ als die Gesamtheit aller Geistgesalbten, die aktuell oder zum betrachteten Zeitpunkt auf der Erde leben. Ich war an diesen Menschen, die sich Geistgesalbte nennen, sehr interessiert. Das war einer der Gründe, weshalb ich ins Bethel ging. Dort erlebte ich noch solche Personen, wie Gertrud Pötzinger, Elfriede Löhr und Bruder Schumann hautnah.

Auch Glieder der leitenden Körperschaft kamen manchmal ins Bethel und man erlebte sie live. So erinnere ich mich an Bruder Jaracz, Bruder Jackson und Bruder Lösch. Es war mir ein Anliegen, diese auch persönlich kennenzulernen. Natürlich hatte man nicht unbedingt viele Gelegenheiten, mit ihnen persönlich zu sprechen. Ich erinnere mich noch daran, als ich im kleinen Bethelladen war und dort Gerrit Lösch begegnete. Er fragte mich, ob man den Zettel mit dem zu bezahlenden Geld irgendwie zusammenstecken müsste. Ich beruhigte ihn und sagte, dass das nicht nötig sei.

Es gab nämlich im Bethel einen kleinen Laden, in dem man sich selbst bedienen und das Geld einfach in einen Schlitz stecken konnte. Da man als Anbeter Jehovas ehrlich sein sollte, müsste es auch funktionieren. Doch leider stimmte die Kasse dann nicht. Man ging doch nicht davon aus, dass es Diebe im Bethel gibt, aber möglicherweise haben sich einige verrechnet. Darum sollte man schließlich einen Zettel mit den Einzelpreisen ausfüllen, darunter die Summe schreiben und unterschreiben und diesen dann mit in den Schlitz stecken. Das konnte Gerrit Lösch natürlich nicht wissen, da es eine lokale Regel war, nur hier im Laden in diesem Zweigbüro. Er wollte natürlich auch keine lokale Regel brechen, und so fragte er besser. Ich freute mich, dass ich hier sein Gewissen beruhigen konnte.

Mir blieben alle noch so unbedeutenden Erlebnisse gut in Erinnerung. Ich wollte nie respektlos sein. Schließlich geht es mir um den unsichtbaren Gott Jehova, dem ich ergeben sein möchte und den sie ja auch vertreten wollen. Aber natürlich werden auch Fehler gemacht und diese haben Konsequenzen, wie in Jehovas Schöpfung alles Konsequenzen hat.

Zu den Konsequenzen gehört, dass Älteste sich auf sie berufen, wenn sie über ihre Mitbrüder zu herrschen versuchen. Das ist dann wie in einer Diktatur. Gehorsam gegenüber dem „Führer“ rechtfertigt in einer Diktatur alle Arten von Gräueltaten. Und wer etwas gegen ihren „Führer“ sagt, wird natürlich sofort verurteilt. Die Geistgesalbten, wie Schwester Pötzinger oder Bruder Schumann, habe ich stets als demütig und bescheiden erlebt. Man konnte sogar nachteilig über sie reden und sie reagierten mit Milde. Ich wollte sie immer ehren.

Aber wir haben laut Bibel nur einen Führer. Es ist der Christus (Matthäus 23:10). Als Jesus schwer denunziert wurde, sagte er lediglich: „Ich ehre meinen Vater und ihr entehrt mich“ (Johannes 8:49, 50).

Ihr Verhalten erfordert Rückzug!

Über eine Konsequenz möchte ich noch sprechen. Wenn man so heftige und überfallsartige Angriffe erlebt, wie den von dem Ältesten (Schmar), um mir Übelstes zu unterstellen, dann fühlt man sich danach selbst nicht mehr würdig. Einen solchen Umgang darf es unter Christen nicht geben. Es steht völlig im Widerspruch zur Heiligkeit der Anbetung.

Da der Eindruck entstehen soll, dass ich an dem ausfallenden Verhalten des Ältesten schuld sei, besteht die Gefahr, dass man es am Ende glaubt und man sich selbst verurteilt. Auch der Kreisaufseher griff in dem Gespräch mein Gewissen an. Ich war mir deshalb unsicher, ob ich nicht vielleicht doch etwas Verkehrtes gesagt haben könnte. Das war aber nicht der Fall! Hier kommt der Punkt, wo man sich zurückziehen muss, wenn man weiterhin für Jehova würdig wandeln möchte. Das ist auch ein Grund, weshalb ich heute den Versammlungszusammenkünften lieber fernbleibe (Sprüche 17:14; Psalm 26:4).

einlandarzt

Die inspirierte Geschichte "Ein Landarzt" von Franz Kafka beschreibt in Symbolsprache, wie ich ein Zeuge Jehovas wurde und was ich dann erlebte!